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Personen > Julius v. Treskow (1818-1893),
Politiker
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Friedrichsfelde bei Berlin 10. 6. 1818, + Grocholin bei Schubin
6. 1. 1894, begraben in Friedrichsfelde; ev.; verh. mit Leontine,
geb. v. Enckevort (1816-1879); Politiker; 1848/49 Mitglied der
Deutschen National-versammlung; Gründungs- und Vorstandsmitglied
des „Vereins der Steuer- und Wirtschaftsreformer“;
V Carl v. Treskow (1787-1846), Gutsherr auf Friedrichsfelde; M
Julie, geb. Jouanne (1791-1852); G Hermann (1813-1894), Marie v.
Enckevort (1814-1879), Mathilde v. Chappuis (1815-1893), Rudolf
(1816-1893), Karl (1819-1882), Heinrich (1823-1886), Elisabeth
Reichsgräfin v. Lüttichau (1824-1879), Ludwig (1832-1897);
T Julie Freifrau v. Dobeneck (1842-1913), Hildegard v. d. Knesebeck
(1843-1916), Hedwig v. Weiher (1845-1928).
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Julius
v. Treskow übernahm nach einem Studium der Kameralwissenschaften
in Berlin und Heidelberg 1840 von seinem Vater das im Posener Kreis
Schubin gelegene Gut Grocholin. Seit 1844 war er Mitglied des zwei
Jahre zuvor gegründeten Landes-Ökonomie-Kollegiums, einer
Vorform landwirtschaftlicher Interessens-vereinigung mit beratender
Funktion bei der preußischen Regierung. Ab 1846 war er Bevollmächtigter
der Familie zur Verwaltung der Herrschaft Strelcze in Russisch-Polen,
wo sein Vater 1836 die erste Zuckerfabrik im Königreich Polen
gegründet hatte. Im Frühjahr 1848 gehörte Treskow
mit seinem Schwager Wilhelm Graf v. Lüttichau zu den Führern
der preußischen Freischaren zur Niederschlagung des polnischen
Aufstandes in Posen, im Mai 1848 wurde er zum Abgeordneten des Kreises
Schubin für die deutsche Nationalversammlung in Frankfurt gewählt.
Als Anhänger des rechten Zentrums zählte er zur Casino-Fraktion
und zu der Delegation preußischer Abgeordneten, die Friedrich
Wilhelm IV. 1849 die Kaiserwürde des Paulskirchenparlaments antrugen.
Seine liberal geprägten politischen Überzeugungen dieser
Tage, die mit den reaktionären Ansichten späterer Jahre nicht
im Einklang standen, hatte er im Sommer 1848 in einem bis heute unveröffentlichten
70-seitigen Manuskript zu Papier gebracht, das sich im Besitz des Brandenburgischen
Landeshauptarchivs Potsdam befindet:
„Es ist ... unläugbar, daß das 19.te Jahrhundert nach
der Republik hinstrebt. Die Republikaner sind die tätigsten Kämpfer,
weil ihre Richtung die entschiedenste ist. Die Republik ist in der
Theorie die vollendetste Staatsform, es hat nur stets an Republikanern
gefehlt und wird immer daran fehlen. Die freie Presse und das Recht
der Versammlung schafft zwar nicht Republikaner, aber Anhänger
der Republik. Die constitutionelle Monarchie auf demokratischer Grundlage
ist in der Form zwar verschieden, im Wesen aber eine Republik. Die
Republik wird also siegen. Wann dies geschehen wird, läßt
sich nicht bestimmen. Je später dies eintritt, desto unblutiger
wird dieser Sieg sein, weil Deutschland der Vorbereitung dazu bedarf.
Träte eine Reaktion ein, würde Blut in Strömen vergossen
werden, nämlich wenn eine Republik siegt, hätten wir eine
Schreckensherrschaft zu erwarten. Wenn der Absolutismus siegte, um
so schlimmer. Dann würde jetzt Blut fließen und nach wenigen
Jahren würde der Kampf aufs Neue ausbrechen, aber erbitterter
als die Barrikadenkomödien des März. Komödien, weil
die deutschen Monarchien sich schon vor dem März selbst aufgegeben
hatten.“ |
Das demokratische
Experiment war bereits nach wenigen Monaten beendet. Eine Veröffentlichung
der schon bald als peinlich empfundenen Erinnerungen aus dem Sommer
1848 wurde noch fünfzig Jahre später von der Enkelin Hildegard
v. d. Knesebeck verboten. Julius v. Treskow trat am 17. Mai 1849 gemeinsam
mit den anderen preussischen Abgeordneten aus der Nationalversammlung
aus und gab zu hierbei zu Protokoll: „Ich wäre schon früher
ausgetreten, hätte ich es nicht für meine Pflicht gehalten,
bis zu dem Augenblick auszuharren, in welchem eine Verständigung
zwischen der Nationalversammlung und den deutschen Regierungen thatsächlich
unmöglich geworden ist. Dieser Augenblick ist mit der Abberufung
der preussischen Abgeordneten durch ihre Regierung eingetreten“.
Als Repräsentant einer erzkonservativ geprägten pressure
group gehörte Julius v. Treskow fortan zu den Wortführern
einer großagrarischen Interessenspolitik, die mit den politischen Überzeugungen
der Jahre 1848/49 radikal gebrochen hatte. Treskow war 1876 Gründungsmitglied
und Vorstandsmitglied des großagrarischen „Vereins der
Steuer- und Wirtschaftsreformer“ und koordinierte die Aktivitäten
des Vereins ab 1879 in der Provinz Posen. Noch 1893 zähle er zu
den ersten Mitgliedern des neugegründeten „Bundes der Landwirte“,
der mit altständischen Parolen zum Stichwortgeber der antidemokratischen
Protektionspolitik des späten Kaiserreichs wurde.
Literatur:
Julius v. Treskow, Aufzeichnungen über meine Zeit als Abgeordneter
der Frankfurter Nationalversammlung (unveröffentlichtes Manuskript,
70 S.), Nachlass Friedrichsfelde Rep. 37, Brandenburgisches
Landeshauptarchiv Potsdam.
Stenographischer Bericht über die Verhandlungen der deutschen
constituierenden Nationalversammlung zu Frankfurt am Main, hrsg.
auf Beschluß der Nationalversammlung
durch die Redactions-Commission und in deren Auftrag von Professor Franz Wigard,
Bd. 1-9, Frankfurt am Main 1848-1849, S. 6628.
Vom Café Milani zum Bund
der Landwirte: die Sammlungsbewegung der preußischen Großagrarier
1848-1893, in: Demokratie in Deutschland. Chancen und Gefährdungen im
19. und 20. Jahrhundert, hg. v. Wolther v. Kieseritzky und Klaus-Peter Sick,
München
1999, S. 50-70.
Hans Frhr. v. Rosen : Grocholin, Geschichte eines deutschen Gutes in Posen,
Leer 1985. |
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