Carl
v. Treskow war als konservativer Politiker und Abgeordneter ein unmittelbarer
Augenzeuge der Reichsgründungszeit. Allerdings beschränkte
er sich in seiner Zeit als Abgeordneter auf die Interessen seines Wahlkreises
Niederbarnim im Regierungsbezirk Potsdam und hielt sich ansonsten im
Hintergrund. Die Konservative Partei dieser Jahre kämpfte für
die Bewahrung der monarchischen Vorrechte, für die Stärkung
der Religion, für die Bekämpfung der Sozialdemokratie und
gegen Zentralismus und Parlamentarismus. In den Jahren 1871-1877 setzte
die Partei sich deutlich von Bismarck und der ihn unterstützenden
Freikonservativen Partei ab. Unter Carl v. Treskow wurde Schloss Friedrichsfelde
ein Treffpunkt der konservativen Kräfte des neuen Kaiserreichs.
Der gradezu liberale Ton, der zu Zeiten seiner Eltern dort vorgeherrscht
hatte, verflüchtigte sich in den 1850er Jahren. Durch seine
1854 erfolgte Eheschließung mit Adelheid Gräfin v. Haeseler
hatte Carl in eine der tonangebenden Familien des Hofes eingeheiratet:
Adelheids Schwester war die Schriftstellerin und Saloniere Helene v.
Hülsen (1829-1892), verheiratet mit dem Hoftheaterintendanten
Botho v. Hülsen. Die beiden Söhne dieses Paares waren der
Hoftheaterintendant Georg Graf v. Hülsen-Haeseler (1858-1922)
und der Chef des Militärkabinetts General Dietrich v. Hülsen-Haeseler
(1852-1908). Carl v. Treskows eigene Kinder wuchsen in einer hocharistokratischen
Umgebung auf, die Schwester Kaiser Wilhelms II. Charlotte bezeichnete
Elisabeth v. Treskow rückblickend als ihre beste Jugendfreundin.
Die Verhältnisse in Friedrichsfelde waren mit den Lebensumständen
der restlichen Familie nicht mehr vergleichbar, die Verwandten in Posen
lebten sehr viel bescheidener, auch wenn Friedrichsfelde stets der
Treffpunkt für Familientage und Festlichkeiten blieb.
Die enormen gesellschaftlichen Gegensätze dieser Epoche spielen
sich auch in Friedrichsfelde direkt vor der Haustüre ab. So hatte
Carl v. Treskow 1880 25 Hektar des nördlichen Gutsgeländes
an die Stadt verkauft, die hier 1881 mit dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde
den ersten nichtkonfessionelle Begräbnisstätte Berlins eröffnete.
Zur Beisetzung des Sozialdemokraten Wilhelm Liebknecht erschienen am
12. August 1900 150.000 Trauergäste in Friedrichsfelde. Die Beisetzung
des SPD-Fraktionschefs Paul Singer im Jahre 1911 geriet gar zu einer
vorrevolutionären Demonstration mit über 1 Mio. Teilnehmern.
Carls größter Verdienst war es zweifellos, Theodor Fontane
nach Friedrichsfelde gebracht zu haben. Fontanes erste Beziehung zu Friedrichsfelde
geht bereits auf das Jahr 1860 zurück, als er den Auftrag zur Erstellung
der Denkmalbeschreibung für Albrecht Thaer erhielt. Er bat Carl
v. Treskow um briefliche Mitteilung über das Leben seines Vaters
und widmete diesem eine eigene kleine Biographie. Hieran anknüpfend
entstand wohl der Vorsatz, Friedrichsfelde auch als eigenes Kapitel für
die „Wanderungen“ zu bearbeiten, und am 24. August 1862 folgte
er erstmals einer Einladung Carl v. Treskows, sich in Friedrichsfelde
näher umzusehen. Das Projekt blieb dennoch acht Jahre liegen. Erst im Mai 1870 wurde es wieder aufgegriffen, und
am 18. und 19. Mai 1870 fuhr er ein zweites Mal nach Friedrichsfelde.
Carl v. Treskow fuhr mit ihm das ganze Gutsgelände ab, erläuterte
ihm die Geschichte des Schlosses und der Landschule, und im Juni 1870
wurde der Aufsatz fertiggestellt. Als Quellen nannte Fontane „briefliche
und mündliche Mitteilungen, besonders des Herrn v. Treskow“.
Offenbar gefiel es ihm im „Charlottenburg des Ostends“, er
verliebte sich in die Atmosphäre des Ortes und ließ seinen
Beitrag mit dem Seufzer enden: „Eine Parkwiese
voll blühender
Linden, zwischen den Kronen ein Streifen blauer Himmel und an dem Himmelsstreifen
ein Volk weißer Tauben, das, die letzten Sonnenstrahlen einsaugend,
sich oben in den Lüften wiegt. Die nahe Hauptstadt samt ihrem Lärm,
wir empfinden sie wie hundert Meilen weit. Hier ist Friede!“.
Fontane kam auf dieses Bild immer wieder zurück. Selbst 25 Jahre
später, als er den Stechlin niederschrieb, baute er seine Erinnerungen
an Friedrichsfelde in die Romanhandlung ein, indem er den jungen Stechlin
und Melusine auf einer Müggelsee-Kahnfahrt über Friedrichsfelde
parlieren läßt: „Urplötzlich
aber stieg gerad aus dem Dunkel heraus ein Lichtstreifen hoch in den
Himmel und zerstob da,
wobei rote und blaue Leuchtkugeln langsam zur Erde niederfielen. „Wie
schön“, sagte Melusine, „das ist mehr, als wir erwarten
durften. Ende gut, alles gut - nun haben wir auch noch ein Feuerwerk.
Wo mag es sein? Welche Dörfer liegen da drüben? Sie sind so
gut wie ein Generalstäbler, lieber Stechlin, Sie müssen es
wissen. Ich vermute Friedrichsfelde. Reizendes Dorf und reizendes Schloß.
Ich war einmal da. Die Dame es Hauses ist eine Schwester der Frau von
Hülsen. Ist es Friedrichsfelde?“ „Vielleicht, gnädigste
Gräfin. Aber doch nicht wahrscheinlich. Friedrichsfelde gehört
nicht in die Reihe der Vororte, wo Feuerwerke sozusagen auf dem Programm
stehen. Ich denke, wir lassen es im Ungewissen und freuen uns der Sache
selbst ... Wahrscheinlich ist es Düppel oder der Übergang zu
Ahlsen.“
Für die zeitgenössischen Leser war dies
purer Gesellschaftsklatsch. Natürlich war die Dame des Hauses, Adelheid
v. Treskow, eine Schwester der Schriftstellerin Helene v. Hülsen.
Und natürlich steht Friedrichsfelde für preußische Strenge,
während die neureiche Ahlsen-Kolonie am Wannsee als ein Ort belächelt
wird, in dem Feuerwerke „sozusagen auf dem Programm stehen“.
Das Ehepaar Treskow traf Fontane wieder in Ragaz, im August 1875, wo
man sich gemeinsam im „Chalet Imperatrice“ eingemietet hatte.
Fontane berichtete darüber in seinen Tagebüchern. Noch viele
Jahre später knüpfte er in seinem erfolgreichsten Roman Effi
Briest an seinen Eindrücken an, die er mit den Besuchen in Friedrichsfelde
verband: in den ersten handschriftlichen Entwürfen des Romans aus
dem Winter 1889 heißt seine in einer preußischen Idylle aufgewachsene
Heldin Betty v. Treskow, ihr strenger Ehemann Geert v. Instetten trug
vorübergehend den Namen Hugo v. Treskow.
Literatur:
Nachlass Adelheid v. Treskow, Staatsbibliothek Berlin.
Theodor Fontane, Wanderungen durch die Mark Brandenburg, Bd. Spreeland, Art.
Friedrichsfelde. |